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Black Box Konsum? Von der gezielten Informationsübertragung zur kontextabhängigen Bedeutungszuschreibung.

Vortrag im Rahmen der Konferenz DeSForM 2008 – The 4th European Workshop on Design & Semantics of Form & Movement
Datum: Freitag, 07. Oktober 2008
Ort: Hochschule für Gestaltung Offenbach, Offenbach am Main

Der Überfluss von Konsumangeboten hat – zusammen mit der Allgegenwart des Designs – zu einer fein ausdifferenzierten Rezeptionskompetenz in den marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaften geführt. In der heutigen Zeit sind die subtile Verwendung von Zeichen und die bewusste Gestaltung der eigenen Persönlichkeit darum zu einer alltäglichen Praxis geworden. Die durchgängige Teilnahme an Lebensstilen, wie sie von Schulze (1997) im Rahmen einer kultursoziologischen Untersuchung noch Anfang der 1990er Jahre beobachtet wurde, tritt im Gegensatz dazu immer weiter in den Hintergrund.

Moderne Konsumenten wissen sehr genau, welche Produkte bestimmte Werte vermitteln, welche Kombinationen die eigene Persönlichkeit in ein spannungsreiches Licht setzen und wie unterschiedlich Stilpräferenzen in verschiedenen Lebenssituationen aussehen können. Gestaltete Marken, Produkte und Stil-Identitäten werden in diesem Rahmen nicht – wie herstellerseitig gerne intendiert – passiv übernommen. Vielmehr verstehen wir sie, wie von de Certeau (1984) bereits in den 1980er Jahren beschrieben, als ästhetisches Rohmaterial, aus dem die eigene Identität und Lebenswelt „gebastelt“ werden kann. Die eingesetzten Strategien reichen hierbei von collagenhaften Zusammenstellungen bis hin zu aufwendig modifizierten Marken-, Produkt- und Identitätshybriden.

Die Grundlage für die Fokussierung auf die Zeichenhaftigkeit von Produkten wurde bereits in den 1970er Jahren gelegt. Parallel zu den politischen Diskursen erfolgte in der Designtheorie und -praxis zu dieser Zeit eine Zäsur: die Funktionalismuskritik stellte die Vorherrschaft der praktischen Funktion in Frage und machte so den Weg frei für neue theoretische Ansätze und neuartige Produkte. Vor allem im deutschen und angelsächsischen Sprachraum löste unter dem Titel „Theorie der Produktsprache“ (Gros 1983) bzw. „Product Semantics“ (Krippendorff 1984) ein geisteswissenschaftlicher, an der Semiotik orientierter Theorieansatz das naturwissenschaftliche Denken ab. Auch spätere Arbeiten, wie beispielsweise von Bürdek (1991) oder Vihma (1995), nutzten diese theoretische Grundlage, um durch die Analyse der Bedeutung von Designprodukten neue Erkenntnisse für den Entwurfsprozess zu generieren. Parallel zu diesem designtheoretischen Entwicklungsstrang gibt es Mitte der 1980er Jahre bei van den Boom (1984) und Jonas (1994) auch erste systemtheoretische Überlegungen in der Disziplin.

In meinem Vortrag versuche ich, eine Synthese aus diesen beiden designtheoretischen Entwicklungslinien zu bilden und so einen Theorieansatz zu formulieren, der zur Beschreibung des neuen Komplexitätsniveaus unserer heutigen Konsumkultur geeignet ist.

Literatur:
Bürdek, Bernhard E. (1991) Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. 2. Auflage 1994, Köln.

Gros, Jochen (1983) Grundlagen einer Theorie der Produktsprache, Einführung. Hrsg. von der Hochschule für Gestaltung Offenbach.

Jonas, Wolfgang (1994) Design – System – Theorie. Essen.

Krippendorff, Klaus (1984) »Die Produktsemantik öffnet die Türen zu einem neuen Bewusstsein im Design.« In: form 108/109, Zeitschrift für Gestaltung, Seeheim.

Schulze, Gerhard (1997) Die Erlebnisgesellschaft – Kultursoziologie der Gegenwart. 7. Aufl. Studienausg., Frankfurt am Main / New York.

van den Boom, Holger (1984) Ein designtheoretischer Versuch. Braunschweig.

Vihma, Susann (1995) Products as Representations – a semiotic and aesthetic study of design products. Helsinki.

© Thilo Schwer 2008

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Datum: Freitag, 3. April 2009 15:48
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